Weniger Müll, mehr Leben

Nachhaltigkeit im Alltag jenseits von Zero Waste

Wenn ich auf die Veränderungen in meinem Leben in den letzten Jahren schaue, dann haben Zero Waste, Minimalismus und Frugalismus zweierlei bewirkt: Ich fühle mich an materiellen, aber vor allem an immateriellen Dingen reich. Ich arbeite noch daran, dass ich mich auch reich im Hinblick auf Zeit und Muße fühle, das gelingt mir noch nicht sehr gut. Ich möchte aber so leben, dass meine Werte und mein Alltagsleben zumindest in großen Teilen überstimmen. Zumindest merke ich, dass mein ökologischer Fußabdruck kleiner wird. Das lässt sich mit den einschlägigen Rechnern im Internet auch belegen. Jeder von uns emittiert Kohlendioxid in folgenden Lebensbereichen: Mobilität, Kleidung, Lebensmittel, Flächenverbrauch. In allen Bereichen haben sich meine Emissionen reduziert, wenngleich es schwierig ist, diese präzise zu quantifizieren.

Wenn man drei Kinder großgezogen hat, dann stellt man sich schon die Frage, welche Welt man ihnen überlässt, und hier ist meine Bilanz leider düster. Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Klimawandel und Verlust der Artenvielfalt, die Zunahme des Autoritarismus und gewalttätiger Konflikte, Rassismus, Sexismus und Antisemitismus und der Rückgang demokratischer Systeme weltweit machen es aktuell schwer, optimistisch in die Zukunft zu sehen.

Zero Waste und Minimalismus sind natürlich keine alleinseligmachenden Wege, um nachhaltiger zu leben. Der Verzicht auf eine große Wohnung, ein Auto und Flugreisen haben einen erheblich größeren impact als ein müllarmes Leben und der Konsum von regionalen und saisonalen, unverarbeiteten Lebensmitteln. Aber ich habe einen Weg gesucht, mich im Alltag Schritt für Schritt nachhaltiger zu verhalten und dafür ist Zero Waste ideal. Wenn man zwanzig ist, in einer WG wohnt und aus Geldmangel Fahrrad fährt, dann ist Nachhaltigkeit diesem Lebensstil immanent. Bittererweise gilt dies wohl auch für ein Leben in Armut: Die Klimabilanz eines Lebens in Armut ist deutlich günstiger als die der wohlhabenden Menschen, ganz zu schweigen von Superreichen. Aber für die Mehrzahl der Menschen in Deutschland mit mittlerem Einkommen gilt wohl eher, dass ein nachhaltiger Lebensstil von vielen gewünscht wird, sie aber gar nicht wissen, wo sie anfangen sollen. Mir war und ist ein Leitmotiv wichtig, an dem ich mich orientieren kann: Zero Waste hat es mir einfach gemacht. Und dabei haben sich so viele positive Begleiteffekte ergeben, dass ich diese Veränderungen bis heute nicht als Verzicht erlebe, sondern als deutliche Verbesserung meiner Lebensqualität. Und von Zero Waste war es nur ein kleiner Schritt zum Minimalismus und noch ein Schritt zum Frugalismus.

Zero Waste öffnet den Blick für andere Nachhaltigkeitsthemen. Jedem nachdenkenden Menschen ist klar, dass eine Glas-Pfandflasche Milch keine Probleme löst, sondern dass Transportwege, landwirtschaftliche Produktionsweisen, Ressourcenintensität und die extensive Tierhaltung die größeren Probleme hinter unserer weltweiten Müllkrise sind. Das Nachdenken über Müll und das Produkt bewirkt Veränderungen im Bewusstsein und Konsum.

Wichtig ist mir an dieser Stelle, allen nachhaltigkeitsbewegten Menschen eines laut zuzurufen: Wann immer jemand Dir erzählt, dass Du nachhaltiger/ökologischer würdest, wenn Du die Sache X kaufst, dann sei skeptisch! Ich möchte es immer wieder wiederholen: Die wenigsten Probleme lösen sich durch Kaufen, sondern durch Nicht-Kaufen!

Mir ist bewusst, dass unser Gesellschaftsmodell auf Konsum und Kaufen basiert. Ich möchte dieses Prinzip auch nicht gänzlich verteufeln und habe große Skepsis gegenüber Wirtschafts- und Gesellschaftsmodellen, die uns das Heil auf Erden versprechen, indem sie den Kapitalismus zu überwinden versprechen. Ein bisschen Markt muss wohl sein (wenngleich nicht in allen Bereichen!). Dennoch bin ich überzeugt, dass wir langfristig besser leben, wenn wir mit deutlich weniger Konsum und hochwertigen, langlebigen Produkten leben.

Jenseits der Müllvermeidung und der Konsumreduktion gibt es natürlich noch sehr viele andere Möglichkeiten, um ökologisch nachhaltiger zu leben. Hier eine kleine Liste mit möglichen Verhaltensänderungen ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit:

Verhaltungsänderungen für mehr Nachhaltigkeit im Alltag [Hier anklicken]

  • Weniger Auto ist mehr Leben: Wer gar kein Auto fährt und sein Leben mit Rad, Bus und Bahn bewältigen kann, muss sich wenig Gedanken um Nachhaltigkeit hinsichtlich der eigenen Mobilität machen. Wer das aufgrund des Wohnorts, der Anbindung an ÖPNV, der körperlichen Verfasstheit oder aus anderen Gründen nicht kann, kann trotzdem viel bewirken. Ich fasse zusammen: Kleineres Auto, weniger fahren, langsamer fahren. Der Trend zu gigantischen Riesenautos ist unübersehbar und immer wieder wird man mit den unsinnigsten Erklärungen konfrontiert, warum ein solches Auto sein müsse oder sich das Fahren eines kleinen Autos nicht lohne. Überzeugt hat mich noch nie jemand mit solchen Erklärungen. Meine Maxime ist: So klein wie möglich. Die eigene Kilometerzahl pro Jahr lässt sich immer reduzieren, hier gibt es natürlich kein Patentrezept. Wer den eigenen Alltag unter die Lupe nimmt, wird Wege finden. Ich habe viele kleine Veränderungen eingeführt, aber den ganz großen Unterschied machen meine Home Office-Tage. Insgesamt habe ich meine gefahrenen Kilometer um 50 Prozent reduziert. Im Hinblick auf Geschwindigkeit mache ich es mir leicht im Leben und fahre nach dem Modell 30, 50, 70, 100. Wo es klein und eng ist, fahre ich 30. Auf größeren innerörtlichen Straßen 50, auf Landstraßen 70 und auf der Autobahn 100. Für deutsche Dauerraser klingt das vielleicht nach Schneckentempo, aber ich habe festgestellt, dass ich nicht viel länger brauche, viel entspannter fahre und natürlich enorm (!) Benzin spare. Mein nächstes Auto wird ein E-Auto, aber erst dann, wenn ich mir eine Photovoltaikanlage aufs Dach setzen kann.
  • Flugreisen: Ich fliege selten, etwa alle drei Jahre einmal. Europäische Reisen bewältige ich mit dem Auto, nur nach Südeuropa würde ich auch fliegen. In europäische Städte fahre ich mit dem Zug. Ja, es wäre am besten, gar nicht mehr zu fliegen, keine Frage. Aber wir Menschen sind neugierig und manchmal hat man Familie oder sehr gute Freunde am anderen Ende der Welt.
  • Kurz duschen, während des Einseifens das Wasser abstellen. In der Küche das nur leicht verschmutztes Brauchwasser auffangen und für das Gießen von Pflanzen verwenden.
  • Einen neuen Laptop oder ein neues Handy kaufe ich mir erst dann, wenn das alte Gerät kaputt ist oder überhaupt keine Updates mehr erhält.
  • Garten- und Hausbeleuchtung: Die meisten Beleuchtungen an Häusern dienen dazu den Nachbarn zu zeigen, was man sich für ein tolles Spielzeug im Baumarkt gekauft hat. Eigentlich braucht diese doch niemand. Eine Leuchte am Hauseingang nehme ich aus, wenn dieser sehr dunkel liegt; diese dient auch dem eigenen Sicherheitsempfinden. Aber alle anderen Beleuchtungen, insbesondere wenn sie abends und nachts dauerhaft angeschaltet sind, tragen zur Lichtverschmutzung bei, also zu Insekten- und Kleintiersterben. Lassen wir das Licht aus! Wir sparen Ankauf, Kabelverlegung und Stromkosten und verlieren – nichts.
  • Kleidung gebracht kaufen, zumindest teilweise: Vor allem Blusen, Shirts, Kleider, Jacken und Mäntel kaufe ich mehrheitlich gebraucht. Unterwäsche, Schlafwäsche, Strümpfe und Hosen kaufe ich neu. Die Folgen unseres absurd hohen Kleidungskonsums werden derzeit viel diskutiert. Das ist einerseits gut. Andererseits erleben wir gerade hier bizarre Formen des green washings. Kritisch bleiben!
  • Einkaufs-Warteliste: Wann immer ich denke, dass ich etwas Neues brauche oder möchte, schreibe ich dieses auf eine Liste und warte erst einmal eine Weile ab, ob der Kaufwunsch fortbesteht. Man lernt sich selbst gut kennen mit einer solchen Praxis. Die allermeisten Dinge (geschätzt 90 Prozent) streiche ich wieder weg, weil das Bedürfnis einfach diffundiert ist.
  • Kaufentscheidungen reflektieren: Wenn der Kühlschrank kaputt ist und er lässt sich nicht mehr reparieren, dann wird ein Kauf unumgänglich. Aber auch hier gilt: Muss es ein neuer Kühlschrank sein? Oder lässt sich ein Gebrauchter finden, der aber selbstverständlich eine sehr hohe Effizienzklasse haben sollte. Wenn dieser nicht zu finden ist oder aber in der spezifischen Situation nicht sinnvoll ist, dann bitte Qualität kaufen, die lange Laufzeiten wahrscheinlicher macht. Aber in den allermeisten Fällen gilt: Nicht-Kaufen löst die allermeisten Problemchen deutlich nachhaltiger. Ich versuche stets zunächst ohne eine Neuanschaffung auszukommen und habe gelernt, wieder mehr zu improvisieren. Das funktioniert oft sehr gut, setzt Kreativität frei und das Gefühl, Probleme auch ohne Geldausgabe lösen zu können
  • Einen Strom-Haushaltscheck durchführen: Stand by-Geräte ganz ausschalten, extreme Stromfresser zumindest kennenlernen und bei Gelegenheit austauschen, Licht ausmachen!
  • Die eigene optimale Heiztemperatur im Winter herausfinden. Ich komme mit 19 Grad bestens aus und fühle mich sehr wohl damit. Natürlich trage ich dabei wärmere Kleidung und Hausschuhe. Warum meinen Menschen, dass es ihr gutes Recht sei, im Winter zuhause im T-Shirt und Barfuß unterwegs zu sein und dafür die Heizung aufdrehen zu müssen? Und natürlich sollte die eigene Heizanlage optimal eingestellt sein, da lässt sich wirklich viel Energie sparen.
  • Wer ein eigenes Grundstück besitzt, sollte Bäume und Hecke pflanzen! Große Bäume kühlen in heißen Sommern, geben Schatten, sorgen für gute Luft, bieten Lebensraum für Insekten und kleinste Tiere. Es dürfte eigentlich kein Haus ohne mindestens einen großen Baum geben. Oft bin ich in unseren Dörfern und Städten unterwegs und denke, dass wir das Land der kahlen Ortschaften sind. Wann immer ich mir historische Bilder in Museen oder Büchern ansehe, fällt mir auf: Früher war mehr Baum! Und selbstverständlich sollten vornehmlich heimische Arten gepflanzt werden oder solche, die mit dem hiesigen Klima zurechtkommen und Kleinstlebewesen einen Lebensraum bieten. Kirschlorbeer Ade! Wer kein eigenes Grundstück besitzt, kann sich natürlich trotzdem engagieren, in Garteninitiativen, bei kommunalen oder privaten Aufforstungs- und Stadtbaumprojekten und ähnlichem.
  • Die eigene Wohnsituation unter die Lupe nehmen: Brauche ich den Platz und jedes Zimmer? Habe ich Räume, die ich vermieten kann? Bis wann möchte ich in meinem Haus, in meiner Wohnung wohnen? Wieviel Quadratmeter sind für mich, meine Familie angemessen? Diese Entscheidungen, die eigene Wohnsituation zu verändern, trifft man sicher nicht so häufig im Leben, aber man sollte sich nicht davor drücken, nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus psycho-sozialen und finanziellen Gründen.

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